Am liebsten sässe er mit Sibelius an einem Tisch
Das Lucerne Festival ist dieses Jahr dem Thema «Paradies» gewidmet. Der perfekte Anlass für uns, mit Klaus Mäkelä über paradiesische Genüsse auf dem Teller und im Glas zu philosophieren.
Das kulinarische Paradies liegt für Klaus Mäkelä auf 48° 51′ 32″ nördlicher Breite und 2° 17′ 35″ östlicher Länge. Dort, wo es in den Bäckereien nach ofenwarmen Croissants duftet und sich in den eisgekühlten Schaukästen der traditionsreichen Brasserien taufrische Meeresfrüchte türmen. «Ich glaube, ich trete keiner anderen Stadt zu nahe, wenn ich sage, dass Paris für alle, die wie ich das Essen lieben, eine ganz besondere Bedeutung hat», sagt der 1996 in Helsinki geborene Cellist und Dirigent, der dank seines Engagements als Musikdirektor des Orchestre de Paris viel Zeit an der Seine verbringt. «Die Möglichkeiten, die sich einem hier eröffnen, sind schier unendlich. Und wie in der Musik ist es für mich stets die Summe aller Faktoren, die den Zauber ausmacht.»
Paris ist längst nicht die einzige Stadt, die Klaus Mäkelä ins Schwärmen bringt.
Auch in Oslo, dessen philharmonisches Orchester er dirigiert, herrschten in lukullischer Hinsicht paradiesische Zustände: «In den Gewässern vor der norwegischen Küste tummeln sich so ziemlich alle Fischarten, die sich in der Küche in wunderbare Gerichte verwandeln lassen. Dazu die wahrscheinlich besten Jakobsmuscheln der Welt oder Kaisergranat.» Und wie steht es mit Finnland, der Heimat des Dirigenten? «Die finnische Küche ist ein Sonderfall in Skandinavien», sagt er und lacht. «Das bedeutet aber nicht, dass sie einen nicht glücklich machen kann. Sie verbindet die Traditionen der nordischen Länder mit jenen des slawischen Kulturraums. Das kann ein wenig gewöhnungsbedürftig sein, aber durchaus auch reizvoll.»
Kindheitserinnerungen
Denkt Mäkelä an seine Kindheit zurück, kommt ihm die karelische Pirogge – auf Finnisch Karjalanpirakka – in den Sinn: eine dünne Teigtasche aus Roggenmehl und Wasser, in deren Mitte sich je nach Zubereitungsart leicht gesalzener Milchreis oder Gerstenbrei befindet. Auch Kartoffel- oder Karottenbrei können sich in den Piroggen verstecken. Dazu reicht man traditionell eine Mischung aus Butter und hart gekochten, gewürfelten Eiern. «So habe ich das oft bei meinen Grosseltern gegessen – eine schöne Erinnerung.»
Abendessen gibt’s oft gleich zweimal
Von Berufs wegen gibt es das Abendessen bei Klaus Mäkelä übrigens nicht selten in zweifacher Ausführung: «Einmal vor dem Konzert, damit ich genügend Energie habe, einmal danach in geselliger Runde. Dann gerne mit einem guten Glas Wein. Ich liebe Rotwein aus Bordeaux und weissen Burgunder. Ausserdem hat es mir Champagner angetan, der darf in meinem Kühlschrank nie fehlen.» Dass er selbst nicht kochen kann, bedauert Mäkelä sehr. «Es ist schrecklich, aber ich hatte nie die Zeit, es zu lernen!» Umso mehr geniesse er bei Gastspielen in Japan den Anschauungsunterricht. «In den Sushi-Restaurants sitzt man dem Chef direkt gegenüber, kann jeden seiner Handgriffe verfolgen: wie er mit seinen Händen den Reis für Nigiri formt, wie er mit geschickten Schnitten Fisch und Meeresfrüchte zerteilt.»
Küchenchef und Dirigent – zwei Berufe, die einiges gemeinsam haben
Den Tisch hätte der Dirigent aus Finnland unheimlich gerne einmal mit dem Komponisten Jean Sibelius geteilt. «Von allen Persönlichkeiten aus der Vergangenheit würden mich seine Ansichten am meisten interessieren. Zudem war Sibelius ein grosser Geniesser.» Die Berufe des Küchenchefs und des Dirigenten seien sehr verwandt, findet Klaus Mäkelä: «Beide sind Künstler. Ausserdem brauchen sie Autorität und sind dafür verantwortlich, dass ein Rädchen ins andere greift. Wie ein Musikstück ist auch ein Menü immer ein wenig anders, man muss stets von Neuem Erlebnisse schaffen, die das Publikum oder die Gäste in ihren Bann ziehen.» Musik und Kulinarik allzu sehr vermischen möchte der beidseitig interessierte Finne dagegen nicht. «Wenn ich esse, ziehe ich die Stille oder das Gespräch vor. Ich denke, das geht allen Musikern so.»
Last, but not least: ein paar Worte zum Apfel, der wegen seiner Erwähnung in der Bibel in unserem Kulturkreis ja untrennbar mit dem Begriff des Paradieses verbunden ist.
«Natürlich denke auch ich zunächst an die grossartigen Desserts mit Äpfeln, etwa an Strudel oder Tarte Tatin», erklärt Mäkelä. «Am allerliebsten esse ich Äpfel aber als Teil eines erfrischenden Salats.»
Klaus Mäkelä dirigiert am 24. und 25. August um 19.30 Uhr das Orchester Oslo Philharmonic.
Am ersten Abend stehen Mahler, Wagner und Sibelius auf dem Programm, am zweiten Tschai-
howsky, Ravel und Skrjabin.
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