Wein im Ei

Rück rüber, Barrique, hier kommt das Betonei. Was es mit den ungewöhnlichen Behältern auf sich hat, erzählen uns Schweizer WinzerInnen.

«Cédric hat unser Betonei 2010 am Osterwochenende in Frankreich abgeholt, es war quasi unser Osterei», erzählt Nadine Besson-Strasser, die zusammen mit ihrem Mann das gleichnamige Weingut in Laufen SH am Rheinfall führt. Betoneier sind in Schweizer Weinkellern keine Seltenheit mehr. Weltweit erleben sie sogar einen regelrechten Boom. Heute ist das Haus Nomblot der grösste Anbieter für Betoneier auf dem Markt. Seine Betoneier garantieren dank ihres Materials und ihrer dicken Wände sehr stabile Temperaturen. Zudem gibt es in Betoneiern eine spezielle Art von Flow. Während der Gärung und des Ausbaus ist der Wein auf natürliche Weise in Bewegung – und diese Bewegung findet im Ei mit seiner organischen Form ungehinderter statt als im Tank oder Fass. Ausserdem ist Beton porös. Er ermöglicht dem Wein einen wohlproportionierten Luftkontakt, welcher ihn runder und komplexer werden lässt. Im Prinzip ganz ähnlich wie Holz, doch anders als das Fass steuert das Betonei keine zusätzlichen Aromen bei.
Chasselas in purster Form

Einer, der viel Erfahrung mit Betoneiern hat, ist Christian Vessaz, Önologe und Betriebsleiter bei Cru de l’Hôpital in Môtier FR. Im Jahr 2009 kaufte er das erste Ei, mittlerweile sind es sechs. Zudem betreut er eine Domäne im Burgund, wo er ebenfalls auf die ovalen Behälter setzt. «Der Ausbau im Betonei ist vor allem für Chasselas höchst interessant», so Vessaz. «Chasselas ist eine sehr neutrale Rebsorte. Das Ei erlaubt dieser Traube ihren pursten Ausdruck, die Weine werden extrem präzise, frisch und mineralisch.» Neben Chasselas liegen bei Cru de l’Hôpital auch Pinot Gris, Traminer und Chardonnay im Ei.
Alternative zum Barrique

Ein 700-Liter-Ei wiegt rund 1200 Kilo. «Unseres kam mit dem Schwertransporter», sagt Patrick Adank vom Weingut Familie Hansruedi Adank in Fläsch GR. «Es sah aus, als hätten wir ein Flugzeug bestellt.» Er kaufte 2019 das erste Betonei, 2021 das zweite, und vielleicht wird es noch weitere geben. Adank baut seinen Sauvignon Blanc je zur Hälfte im Ei und im Barrique aus. Viele Winzer würden heute nach einer Alternative oder Ergänzung zum Barrique suchen. Das Betonei sei dafür ideal. «Es gibt den Weinen Eleganz, Frische und Salzigkeit, genau das, was wir im Sauvignon Blanc suchen», hebt er hervor.
Im Betonei bleibt der Wein auch mitten im Sommer ganz cool.



Eier stehen Kopf

Laura Paccot von der Domaine de la Colombe in Féchy VD erzählt: «Wir haben eine Weile gebraucht, bis wir den Umgang mit dem Ei raushatten.» Ihr Vater Raymond begann im Jahr 2010 mit Betoneiern zu experimentieren. «Heute ist es unser sorgenfreiester Behälter. Die Weine werden zuverlässig frisch, fruchtig und elegant. Wir lassen den Wein bis zum Frühling auf der Vollhefe und brauchen ihn kaum aufzurühren, wie wir es beim Ausbau im Holzfass tun.» Das Ei, ist sie überzeugt, biete noch viele Möglichkeiten. «Auf Château Pontet-Canet in Bordeaux etwa stehen die Eier auf dem Kopf. So sammelt sich mehr Hefe am Tankboden, und die Weine bleiben besonders frisch.»
Genaustens erprobt

Am Rheinfall haben Nadine und Cédric Besson-Strasser ihr Betonei in den letzten 13 Jahren gründlich getestet. Ihr Fazit fällt eher verhalten aus. «Beim Räuschling sind wir immer auf der Suche nach der perfekten Balance. Der Vater arbeitete mit grossem Holz, wir mit Edelstahl. Das Betonei schien uns eine spannende Option. Der Ausbau im Ei gibt dem Wein eine schöne Zitrusnote, aber nicht sehr viel Fülle.» Seit dem Jahrgang 2022 fliesst der Räuschling aus dem Betonei bei Besson-Strasser komplett in den flaschenvergorenen Schaumwein. «Da passt er mit seiner Frische hervorragend.»
Perfekte Harmonie

Am Bielersee lässt Anne-Claire Schott eine ganz besondere Cuvée im Betonei reifen. Der Blanc Schiller Orange setzt sich aus sechs Traubensorten zusammen, die entlang den Rebmauern des Guts wachsen. «Das Ei ist der Ursprung des Lebens, die perfekte Form, harmonisch und extrem stabil. Für mich ist das Betonei der Kompromiss zwischen einer natürlichen, kosmischen Form, in der der Wein ein bisschen abgeschottet ist, aber trotzdem atmet.»
Würden Sie gerne mehr darüber wissen, welche Erfahrungen die WinzerInnen mit Betoneiern gesammelt haben? In der aktuellen Ausgabe unseres Magazins finden Sie den vollständigen Artikel.
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