Saure Wiener Sinfonie – Bühne frei für Zitrusfrüchte und Essig

Wien begeistert nicht nur mit kulturellen Höhepunkten, sondern nimmt auch gastronomisch einen Spitzenplatz ein. Auffällig ist dabei ein aussergewöhnliches Gespür für saure Nuancen in der Küche, die in überraschenden Kombinationen für geschmackliche Meisterwerke sorgen. Im Rampenlicht stehen dabei zwei Namen: Starkoch Heinz Reitbauer und «Essigpapst» Erwin Gegenbauer.



Zitrusgenuss im Steirereck
Heinz Reitbauer, dessen Restaurant Steirereck zu den World’s 50 Best Restaurants gehört, setzt vor allem auf helle und ätherische Noten von Zitrusfrüchte, um den winterlichen Speiseplan aufzuhellen. Ob mit Saft, Blättern oder Zesten – die vielseitigen Früchte verleihen traditionellen Gerichten frische Akzente und Eleganz und verhindern im Wintergemüse dumpfe Geschmacksnoten. Die Kaiserliche Orangerie von Schloss Schönbrunn und eigene Glashäuser am Pogusch liefern eine reiche und vielfältige Basis für seine kreativen Kompositionen.
Besonders begeistert ist Reitbauer von Orangeatsorangen, deren Albedo (die weisse Schicht zwischen Schale und Fruchtfleisch) überraschend an Kokosnuss erinnert. Für das traditionelle Weihnachtsgebäck sorgt Orangeat für einen unvergleichlichen Geschmack, der viel besser ist als der mit handelsüblichen Orangen. Trotz seiner Faszination für die Zitrusfrüchte, achtet er darauf, dass die Aromatik zu seiner regionalen Küche passt. So verleihen Kalamansi regelmässig insbesondere seinen Fischspeisen belebende Noten und Komplexität, die omnipräsente Yuzu setzt er dagegen nur sparsam ein: Ihre Aromatik verlässt «ganz eindeutig unsere Breiten. Wir möchten auch dann eine authentisch-regionale Küche bieten, wenn wir mit Zitrusfrüchten arbeiten.»

Essigpapst im zehnten Bezirk
Erwin Gegenbauer, weithin bekannt als «Essigpapst», tüftelt in seiner Brauerei im zehnten Wiener Gemeindebezirk seit drei Jahrzenten mit grossem Erfolg an Essig und produziert dort einzigartige und innovative Essigkreationen. Besonders spektakulär ist sein Bananenessig, der durch ein komplexes, zweistufiges Verfahren gewonnen wird. Statt auf herkömmliche Balsamico-Verfahren zu setzen, entwickelt Gegenbauer sogenannte „süsse Essige“, bei denen die Fruchtaromen unverfälscht erhalten bleiben.
Kaum ein Spitzenkoch in Österreich, der nicht von Gegenbauers Kreationen schwärmt und bei dem eine seiner 70 Essigsorten in der Küche steht. Denn zum Beispiel seine Quittenessige veredeln Rotkohlsalat und bringen gebratene Kalbsleber zu geschmacklichen Höhenflügen. Doch auch der experimentierfreudige Gegenbauer stösst an Grenzen: Bis heute ist es Gegenbauer nicht gelungen, den flüchtigen Primärgeschmack von Erdbeeren in einem Essig einzufangen.




Welches Gericht von Heinz Reitbauer nebst Bananenessig auch nicht auf Belugalinsen, Muskatblüte, Pinienrosmarin, Oscietra-Gold-Kaviar, Pilzcrème, Baby-Banane, karamellisierte Pistazien, Schnittlauchblüten, Schinken, Speck, Schnittlauchöl und getrocknete Weissfische verzichten kann und wo sich Erwin Gegenbauer überall auf die Suche nach neuen Komponenten und Geschmäcker für seine Essigkompositionen macht und weitere faszinierende Geschichten über Wiens Spiel mit Säure lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von marmite!
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