Der Rausch als Konzept: Restaurant Bruder in Wien

2. Dezember 2019

Das Bruder in Wien serviert zu jedem Gang ausgefallene Cocktails, Shots und hausgemachte Liköre. Was dann passiert, ist ja wohl klar. Und durchaus erwünscht.

«Also die Autofahrt wird nach einem Besuch bei uns nicht mehr empfohlen.» Hubert Peter lacht. Er serviert den ersten Wermut des Abends – selbst gemacht und garniert mit einem hübschen Kräutersträusslein. Küchenchef Lucas Steindorfer  grinst verschwörerisch und verrät: «Die meisten unserer Gäste können nicht mal mehr richtig gehen, die schwanken!» Doch wer denkt, dass der Gast dadurch in Verruf gerät, der irrt. Im Bruder im 6. Wiener Bezirk gehört der Rausch mit zum Konzept.

Die Macher von Bruder: Hubert Peter (links) und Lucas Steindörfer.

«Bei uns gibt es eine Regel, und die lautet: keine Regel», so Cocktail-Mastermind Peter. «Der Gast soll den Alltag hinter sich lassen und ruhig exzessiven Genuss erleben.» Nüchtern betrachtet sei das Leben ja schon hart genug. 

«Trinken reinigt den Kopf. Das ist wie Yoga. Trinkyoga!» 

Lucas Steindorfer Küchenchef Restaurant Bruder 

Hubert Peter serviert nur hochwertige Spirituosen, keinen «industriellen Schrott», wie der 31-Jährige es nennt. «Dann gibt’s auch keine Kopfschmerzen.» Hinter der Bar stehen wandfüllend Weckgläser mit Obst und Gemüse, die in österreichischem Weizenbrand, also Wodka, eingelegt sind. An seinen freien Tagen streift das Duo gemeinsam durch die umliegenden Wälder und sammelt Zutaten wie Schlehen, Wiesen-Kerbel oder Kornelkirschen. «Wir verarbeiten in Küche und Bar nur Sachen, bei denen wir uns 100 Prozent sicher sein können, dass sie ungefährlich sind. Sonst führen wir vor Ort den Selbsttest durch», Peter grinst. «So hat Lucas herausgefunden, dass Schwertlilien giftig sind.» So viel Einsatz wurde gerade erst belohnt: Ende Oktober verlieh ihnen der «Falstaff» anlässlich des Bar- und Spiritsfestivals in der Wiener Hofburg die Auszeichnung «Neueröffnung des Jahres». Seit Januar 2019 liefern ihre ungewöhnlichen Kreationen Gesprächsstoff und sorgen längst für ein volles Haus. «Wir haben einen grossen Suchtfaktor», weiss der 34-jährige Steindorfer, der zuvor bei Sternekoch Paul Ivic im Tian gekocht hat. «Die Leute, die hierherkommen, wissen, was sie nebst der Wirtshausküche 2.0 erwartet.» Sogar der Zwiebellikör habe seine Anhänger gefunden. «Es gibt Gäste, die müssen wir ganz behutsam abholen, andere wollen immer verrücktere Sachen.» Das sei ein bisschen wie Gameboy spielen. «Auch bei uns beginnt man beim niedrigsten Level», so der Mixologe. Was grundsätzlich in der Küche geschmacklich funktioniert, funktioniere auch im flüssigen Bereich. Kürzlich servierte er einen Whisky Sour mit Speck, Birne, Ei und Karamell, der auf der Karte mit «Gib mir Tiernamen» betitelt war. 

Ein Drink namens «Elefant im Porzellanladen». Seine Hauptbestandteile: Apfel, Kürbis, Erdnuss und Holunder.

Angriff ist die beste Verteidigung
Die beiden Freunde mögen nicht nur den spielerischen Umgang mit den unterschiedlichsten Zutaten, sondern auch subtilen Humor. «Heute lieber rauschig, morgen wieder flauschig» steht da beispielsweise auf den Bierdeckeln. Ein Motto, das für die beiden jedoch stets erst nach Feierabend gilt. «Dann lassen wir es auch ab und zu so richtig krachen.» Ihr persönlicher Tipp gegen Kater ist simpel: «Auch wenn’s anfangs schmerzt: In die Offensive gehen und weitertrinken. Aber natürlich nur die guten Sachen. Und die am besten bei uns.» Wie passend, dass ein Drink aus Hubert Peters Repertoire «Die beste Verteidigung» heisst. Denn der Cocktail mit Fenchel, Wacholder und Verveine macht sich nicht nur gut als Essensbegleiter, sondern auch als Kontergetränk

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