«Ich suche noch eine Lösung für die Brennessel»

Zwei Michelin-Sterne,18 Gault-Millau-Punkte, Koch des Jahres 2023: Benoît Carcenat katapultierte sich in der Valrose in Rougemont VD innert drei Jahren an die Gourmet-Spitze. Wie tickt der Chef der besten Bahnhofsbeiz der Schweiz?

Benoît Carcenat, die Kräuter aus der Region spielen in Ihrer Küche eine besondere, wichtige Rolle. Dabei arbeiten Sie erst seit drei Jahren in Rougemont. Woher all das Wissen?
Das stimmt, aber ich komme seit zwanzig Jahren hierher. Meine Partnerin stammt aus Château-d’Oex, die hiesige Natur interessiert mich seit langem. Doch mein Wissen war nicht wirklich gross. Ich lernte einen Bauern kennen, der hier Kräuter sammelt. Er zeigte mir, wo was wächst. Ein grosser Gefallen. Dazu kaufte ich mir noch ein, zwei Bücher. Es ist unglaublich, wie viele tolle Kräuter man hier auf wenigen Metern findet. Oxalis, Brunnenkresse, Thymian, Wildblumen und so viel mehr.
Die Geschichte des Kochs, der selbst seine Kräuter sucht und pflückt, klingt romantisch. Wie sieht die Realität bei Ihnen aus?
Doch, doch. Jeder unserer Köche sammelt die Kräuter, die er für seinen Posten braucht, selbst. Beginnt jemand bei uns neu in der Küche, nehme ich ihn mit nach draussen und zeige ihm, wo wann was wächst.
Der Herbst steht an. Worauf freuen Sie sich da besonders?
Auf die Pilze. Bei uns wachsen wunderbare Pfifferlinge, Steinpilze. Und auf den Sauerklee. Auf dem Menü wird ein Gericht mit Steinpilz, Heidelbeeren und einer Sauerklee-Sauce stehen. Dann kommen die ersten Wildtiere: Reh und Gams. Und Tomaten. Die reifen bei uns etwas später.


Welche Blumen verwenden Sie?
So viele! Rote Lichtnelke, Margerite, Gewöhnliche Stockrose, Wilde Malve, Weg-Malve, rosa Geranien, Schwarzwurzel. Um nur ein paar zu nennen.
Wie setzen Sie die Kräuter im Menü ein?
Wir haben ein Gericht mit Erbsen und Kapuzinerkresse aus unserem Garten. Da verwende ich Blüte und Blätter. Mein Kopf funktioniert nach Saisons: Zuerst verwenden wir die Blätter, später die Blüten, dann die Früchte. So will es die Natur. Beim Kreieren der Gerichte gehe ich manchmal von der Hauptkomponente aus, manchmal beginne ich aber auch mit der Pflanze. Beim Forellengericht ging es mir um die grüne Aromatik. Da startete ich mit den Kräutern.
Interessieren Sie auch grüne, unreife Früchte?
Ja, Erdbeeren und Birnen beispielsweise. Wir hatten im Frühling ein Gericht mit Seeteufel, unreifer Birne, Liebstöckel und XO-Sauce. Die Birne ist dann hart und sauer – spannend. Auch Mandeln sind vor ihrer eigentlichen Reife interessant.




Wo haben Sie diesen Fokus auf die Pflanzenwelt gelernt? Wohl kaum bei Joël Robuchon oder in Crissier.
Nein, das ist mein eigener Stil. Ich mag die schnellen Wechsel auf der Menükarte. Und mit dem Fokus auf die Umgebung ergeben sich diese Wechsel automatisch. Vor kurzem hatte ich Gäste, die zum dritten Mal bei uns assen. Die Frau meinte danach, dieses Mal sei ihr klar bestes Dinner in der Valrose gewesen. Je nach Saison isst man bei uns ganz anders. Es soll immer frisch und saisonal sein.
An was sich Sternenkoch Benoît Carcenat noch die Zähne ausbeisst, wo die Köche seiner Meinung nach in der Schweiz am «offensten» sind und warum er auch Mal einen Mc Donald’s besucht, erfahren Sie hier im vollständigen Interview des aktuellen marmite magazins.
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