«Es fiel mir schwer, die Kontrolle abzugeben»
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Die französische 3-Sterne-Köchin Anne-Sophie Pic über ihr wiedereröffnetes Lausanner Restaurant im Beau-Rivage Palace, Frauenförderung in der Gastronomie, die Bedeutung von Vertrauen und das Ziel, das sie mit einer Zeitmaschine ansteuern würde
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Was haben Sie empfunden, als Sie Ihr neues Restaurant im Beau-Rivage Palacedas erste Mal betraten?
Es war ein wenig wie Weihnachten. Viele positive Emotionen, ein gewaltiger Wow-Effekt. Ich hatte das rundum erneuerte Lokal vorher nie gesehen. Mein Mann, der stark in den Umbau eingebunden war, hatte sogar die Fotos vor mir versteckt. Im Vergleich zu früher erscheint der Raum doppelt so gross, viel heller und freudiger. Unser Architekt Tristan Auer hat auch sehr auf die Haptik der verwendeten Materialien geachtet. Eine Verbindung zur Küche. Wir legen ja auch enormen Wert auf die Texturen.
Haben Sie jeweils Zeit, die Stadt und das Beau-Rivage ein wenig zu geniessen, wenn Sie nach Lausanne kommen?
Vor der Eröffnung des Restaurants Anfang September wollte ich unbedingt morgens im See schwimmen, vergass dann aber mein Badekleid zu Hause. Das ist ein wenig typisch. Mein Fokus liegt so sehr darauf, die Zeit mit dem Team im Beau-Rivage optimal zu nutzen, dass daneben kaum noch etwas Platz hat.
Was braucht Fine Dining heute, um die Gäste in seinen Bann zu ziehen?
Authentizität ist sehr wichtig. Man muss sich selbst treu bleiben und auch grosszügig sein. Die Menschen, die in eines meiner Restaurants kommen, sollen spüren, dass die Gastronomie für uns mehr ist als ein Job, dass sie unsere Persönlichkeit transportiert. Manche Kolleginnen und Kollegen wählen die Provokation als Stilmittel, was ich verstehen kann. Für mich muss gute Küche in erster Linie Wohlbefinden erzeugen. Ich bevorzuge deshalb die Harmonie, möchte aber gleichzeitig mutig und neugierig sein.
Heiko Nieder, der Culinary Director des Dolder Grand in Zürich, hat gesagt, dass er die beste Getränkebegleitung seines Lebens bei Ihnen hatte. Wie wichtig ist dieser Aspekt in Ihren Restaurants?
Das freut mich sehr. Wir legen tatsächlich sehr grossen Wert auf das Getränkepairing.
Es kann ein Gericht auf ein neues Level heben. Die Kreation eines Getränks ist sehr eng verwandt mit der eines Gangs im Menü, in beiden Fällen geht es darum, die Zutaten auf interessante und harmonische Weise aufeinander abzustimmen. Heute kennt sich ein Sommelier oder eine Sommelière nicht mehr nur mit Wein aus, sondern auch mit Kombucha, Tee oder Kaffee. Diese Offenheit eröffnet neue Möglichkeiten, die wir so gut wie möglich ausschöpfen wollen. Ich habe noch ganz andere Zeiten erlebt, musste heftige Überzeugungsarbeit leisten.
Wie würden Sie Jordan Theurillat, Ihren Küchenchef und Statthalter in Lausanne, beschreiben?
Dafür muss ich ein wenig ausholen. Er kam als Chef de Partie hierher und wollte unbedingt für mich arbeiten. Aber nicht im Stammhaus in Valence, sondern eben im Beau-Rivage. Ich habe sofort gesehen, dass er bei Marc Haeberlin in der Auberge de l’Ill eine hervorragende Ausbildung genossen hatte und technisch sehr beschlagen war. Doch die Aussicht, eines Tages selbst Gerichte kreieren zu müssen, was ja eigentlich ein Dürfen ist, beunruhigte ihn. Ich sagte ihm: Machen Sie sich keine Sorgen, die Zeit wird kommen, und es wird alles gut gehen. Als ich ihn zum Souschef beförderte, kam er mehrere Male nach Valence, um mich und meinen Stil noch besser zu verstehen. Heute ist er ein kompletter, sehr präziser Koch, voller Respekt, Poesie und Disziplin. Ich liebe es, mit ihm zu arbeiten!
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Wie gelingt es einer der renommiertesten Köchinnen der Welt, ein Spitzenrestaurant aus der Ferne zu führen? Anne-Sophie Pic gewährt Einblicke in ihre Zusammenarbeit mit dem Küchenchef des Beau-Rivage Palace, die Bedeutung von Vertrauen und die Kunst, Kontrolle abzugeben und erzählt, was es für sie bedeutet mit ihrem Sohn in der Küche zu stehen. Das und mehr erfahren Sie exklusiv im vollständigen Interview in der aktuellen Ausgabe von marmite.
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