Gelassen zum Gipfel

8. März 2023

Valentina Andrei kam in die Schweiz, um Französisch zu lernen. Heute zählt die geborene Rumänin zu den brillantesten Winzerinnen des Landes. Ihr Geheimnis lautet: einfach werden lassen.

«Fast alle meine Parzellen sind schwer zu bearbeiten», erzählt Winzerin Valentina Andrei gutgelaunt. «In manchen Lagen müssen wir uns anseilen. Zu vielen führt nicht mal ein Weg, nur ein Pfad durch den Wald. Den Kompost lassen wir teils per Helikopter bringen. C’est beau ça, non?» Valentina Andrei deutet auf die Natur, die uns umgibt. Legt man den Kopf in den Nacken und schirmt die Augen gegen die Sonne ab, sieht man hoch oben auf der Hügelkuppe die Ruinen des Schlosses von Tourbillon. Nach unten schweift der Blick über Sion, das Rhonetal und die umliegenden Berge, an deren Flanken sich Rebreihen entlangwinden wie Fingerabdrücke. Es ist heiss an diesem Morgen Anfang Mai. Insekten zirpen, unter unseren Füssen federt das noch feuchte Gras, knotige Rebstöcke winden sich nach rechts, nach links, angeln mit ihren Trieben nach Gesellschaft, ein paar wachsen wild aus den Trockenmauern. Kakteen ragen aus dem steinigen Boden. Moment, Kakteen? «Ja, irre, oder?», sagt Valentina. «Das Klima hier ist fast wie in Süditalien oder Kalifornien. Im Sommer werden es oft 40 Grad.» Alles fühlt sich intensiv lebendig an. Wilde Kirsch- und Pflaumenbäume säumen die Parzelle, Vögel haben zwischen den Reben Zwiebeln ausgesät.Genauso liebt es Valentina Andrei. «J’aime le sauvage», sagt sie, «ich mag Wildheit.»

«Ich war schockverliebt.»

Schon als Kind half sie bei der Weinlese mit. Nicht in der Schweiz, sondern in Rumänien. Dort wurde Valentina Andrei geboren. Ihre Eltern waren Bauern, sie hatten einen klassischen Mischbetrieb: Kühe, Schweine, Hühner, Weizen, Mais, Sonnenblumen, Gemüse. Und Chasselas. Sie wollte Winzerin werden. Der Plan war, in Bordeaux zu studieren, «ganz einfach, weil das damals für uns die Referenz in Sachen Wein war». Doch zuerst musste sie die Sprache lernen. Als Au-pair kam sie in die Schweiz – und sah erstmals die Rebberge des Wallis. Mehr brauchte es nicht: «Ich war schockverliebt.»

Diese Liebe spürt man in jedem Satz, den sie über ihre Reben sagt. Über sich selber spricht sie nur, wenn man sie fragt. Sie erzählt, wie sie Weinbau in Châteauneuf und Önologie in Changins studierte und unter anderem sechs Jahre Kellermeisterin bei der Walliser Ikone Marie-Thérèse Chappaz war. Dann machte sie sich selbstständig, anfangs in einer Garage, heute in einem gemieteten Keller in Saillon. 2014 brachte sie ihren ersten Jahrgang auf den Markt. Seitdem sind ihre Weine eigentlich immer ausverkauft. Es sind brillante Gewächse, Weine mit Spannung und Dichte, mit Schmelz und Vibration und zugleich einem umwerfenden Trinkfluss. Sie reifen elegant, sind fantastische Essenspartner – kurz, was aus Valentina Andreis Hand kommt, ist meist ganz gross.

«Ich habe kein Bild im Kopf, wie ein Wein sein soll»

Valentina Andrei sagt ihren Reben nicht gerne, was sie zu tun haben. Das sind keine wohlerzogenen Zinnsoldaten. Viele wachsen auf Drahtrahmen, manche aber auch in Buschform. Ein einheitlicher Rebschnitt ist nicht erkennbar. «Warum auch? Ich folge dem, was ich vorfi nde. Es gibt keinen Grund, die Dinge zu erzwingen.» Gelesen wird, wenn der Geschmack ihr sagt, dass die Beeren reif sind. Sie arbeitet biodynamisch, «auch wenn ich nicht viel drüber rede».

Ein ganz besonderes Händchen hat sie für die Petite-Arvine-Traube. Die Weine kitzeln im Mundwinkel, strahlen mit sonniger Frische und kräuteriger Würze, und als Souvenir hinterlassen sie auf der Zunge einen Hauch Fleur de Sel.

Hier die Cuvée Ivresse, die Valentina 2014 für die Weinreihe Magnificients ihres Lebensgefährten Nicolas Wüst kreierte.

Auf die Frage, ob sie eine Lieblingssorten habe, antwortet sie: «Nicht wirklich. Es ist ein Bisschen wie mit Kindern. Besonders stolz ist man auf die, die unter schwierigen Bedingungen über sich hinauswachsen.»

valentinaandrei.ch

Winzerin Valentina Andrei


Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem marmite Magazin No. 3/2022 mit dem Thema «Leaderinnen in der Welt des Genusses». Unsere Weinredaktorin Britta Wiegelmann hatte die Gelegenheit, Spitzenwinzerin Valentina Andrei für ein Gespräch in ihren Weinbergen zu treffen.

Die Autorin: Britta Wiegelmann – Journalistin und Weinexpertin, ausgebildet an der Université de Bordeaux. Nach Etappen als Chefredaktorin der Zeitschrift «Vinum» und des «Gault&Millau Weinguide Deutschland» tut sie für marmite nun das, was sie am meisten liebt: ihre schönsten Weinentdeckungen teilen! Geniessen Sie Brittas Expertise sechs Mal im Jahr, ganz unkompliziert mit einem marmite-Jahresabo – und Sie profitieren erst noch vom Vorteilspreis.

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