Als Elfie Casty Chefredaktorin wurde
Im Jahr 1991 übernahm mit Elfie Casty eine Lichtgestalt der Schweizer Gastroszene die Chefredaktion von marmite – Medienstar, erfolgreiche Kochbuchautorin und Wegbereiterin der «Nouvelle Cuisine» in der Schweiz.
Es war mehr als eine Ansage von marmite-Verleger Kurt Kast, als er sich in der ersten marmite-Ausgabe des Jahres 1991 mit folgenden Worten an seinen scheidenden Chefredaktor Charles E. Burk – und natürlich auch an die gesamte Leserschaft – wandte: «Über Deine Nachfolgerin viele Worte zu verlieren, hiesse Wasser in den Rhein bzw. in die Landquart zu tragen. Denn wer kennt sie nicht, die erfolgreiche Kochbuchautorin, das durch TV-Auftritte bekannte Gesicht, die Kolumnistin vieler Zeitungen und Zeitschriften: Elfie Casty.»
Verdienste für die «Nouvelle Cuisine»
Kurt Kast hatte damit alles andere als übertrieben: Elfie Casty, die gelernte Krankenpflegerin aus Baden, war als Autodidaktin über ihren Ehemann Tschiery in den 1950er-Jahren ins Bündnerland und in die Gastronomie gekommen. Diese mischte sie in der Folge auf, wie selten jemand zuvor. Denn sie machte in den 1970er- und 1980er-Jahren die «Nouvelle Cuisine» (sie selbst sprach jeweils lieber von der «ehrlichen Küche») in der Schweiz salonfähig. Für diese Leistung wurde sie 1978 in Frankreich in die ruhmreiche Association des Restauratrices-Cuisinieres ARC und ein Jahr später in den erlauchten Kreis von Relais & Châteaux aufgenommen, als erste Nicht-Französin überhaupt.
Kurz zuvor, genauer gesagt im Dezember 1978, hatte Casty mit «Seitensprünge in der Küche» ihr erstes Kochbuch herausgegeben. Das im Eigenverlag erarbeitete Rezept-Tagebuch schlug auf dem Markt ein wie eine Bombe und verkaufte sich zehntausendfach. Auch mit ihren nachfolgenden Publikationen «Geliebte Küche» (1984), «Mit einer Prise Leidenschaft» (1987), «Mit Liebe, Lust und Thymian» (1998) sowie «Bouquet Garni, kulinarische Miniaturen und Rezepte» (2001) sollten weitere philosophisch-sinnliche Kochbücher folgen, die zu den besten ihrer Zeit gehörten, mehrfach ausgezeichnet wurden und auch reissenden Absatz fanden.
1981 erhielt Elfie Casty von der französischen Regierung den «Ordre du Mérite Agricole», und wer sie bis dahin noch nicht als Schwergewicht der Schweizer Gastronomie kannte, sollte sie spätestens ab 1984 über das Schweizer (und deutsche) Fernsehen kennenlernen, als sie neben einem blutjungen Moderator namens Kurt Aeschbacher als erste Schweizer TV-Köchin im «Karussell» auftrat, einer der beliebtesten Sendungen in der Schweiz, die von 1977 bis 1988 ausgestrahlt wurde und jeweils bis zu einer halben Million Zuschauerinnen und Zuschauer in ihren Bann zog.
Es gab zu jener Zeit also nur ganz wenige Schweizer-(innen), die in der Öffentlichkeit besser bekannt waren als Elfie Casty. Einzig ihr Geburtsdatum hielt sie eisern unter Verschluss, und das ist bis heute so geblieben, wünschen sich doch die Nachkommen aus Respekt vor der «grande dame» der Schweizer Gastronomie, dass diesem Wunsch auch über den Tod von Casty hinaus entsprochen wird.
Doch zurück zu Elfie Castys Anfängen bei marmite: Die frisch gebackene Chefredaktorin liess es sich in ihrem ersten Editorial nicht nehmen, zum inhaltlichen Aufbruch zu blasen: «Voilà», antwortete sie ihrem Verleger Kurt Kast und den Leserinnen und Lesern in derselben Ausgabe von marmite aus dem Jahr 1991, «hier ist sie, die ‹marmite›, auf die Sie möglicherweise genauso neugierig waren wie wir selbst. Während Ihre Neugier in diesem Augenblick gestillt wird, bleibt sie uns noch lange erhalten. Denn ob die neue Handschrift durch den Wechsel in einer Chefredaktion auf Anhieb gefällt, ist meistens nicht so schnell auszumachen.»
Auf zu neuen Ufern
Die Neuausrichtung von marmite gefiel offenbar nicht allen Leserinnen und Lesern, aber doch «fast allen». Und das führte dazu, dass sich Elfie Casty am Ende ihres ersten Amtsjahres in einem vorweihnächtlichen Gruss äusserst zuversichtlich an ihre Leserschaft wandte: «Uns allen hat es viel Spass gemacht», schrieb sie, «die ‹marmite› in diesem Jahr an neue Ufer zu führen.» Und sie verwies konkret auf ihre persönlichen Highlights in den ersten von ihr verantworteten Ausgaben: Die journalistische Begleitung der kulinarischen Neuausrichtung von Frédy Girardet in Crissier, die Besuche in der Auberge de l’Ill in Illhäusern und von Roland Jöhri in Ftan, und auch ein ausführliches Interview mit Wolfram Siebeck über die Zukunft der Küche gehörte zu ihren Favoriten.
Die vielen positiven Reaktionen aus der Leserschaft hätten gutgetan, fuhr Elfie fort. Die paar kritischen Rückmeldungen hätten motiviert und den eingeschlagenen Weg bestätigt. «Doch beglückende Aufs und quälende Abs», meinte sie in ihrer typischen Art, «gehören nun einmal zum Leben, so wie Süsses und Salziges eine Küche wohltuend ausbalancieren.» Und in diesem Sinne «verblieb» sie ihrer Leserschaft, wie immer im Editorial, «herzlich» – und das noch weitere viereinhalb Jahre, genauer gesagt bis zum 31. März 1996, dem Tag, den Elfie Casty für ihren Rücktritt von der marmite-Chefredaktion ursprünglich vorgesehen hatte.
Grund für den geplanten Rückzug war der Zusammenschluss der Aargauer Tagblatt AG mit der Badener Tagblatt Holding AG zum neuen AT Zeitschriftenverlag, der künftig für die Geschicke von marmite verantwortlich sein sollte. Gemeinsam mit dem Schweizer Club Kochender Männer SCKM [der noch heute eng mit marmite verbunden ist, Anm. der Red.] gelang es den neuen Inhabern jedoch, ihre langjährige Chefredaktorin dazu zu bewegen, ihre Funktion zumindest «ad interim» so lange weiterzuführen, bis sich die Wogen der Fusion etwas geglättet hätten.
Ende 1996 war definitiv Schluss
So kam es, dass Elfie Casty noch bis Ende 1996 im Amt verblieb und der damalige Verlagsleiter, Herbert Schatzmann, der Zentralpräsident des SCKM, Roman Ziegler, sowie der spätere Chefredaktor, Andreas Keller, Elfie Casty in einem offenen Brief in der Winterausgabe 1996 verabschiedeten und ihr für ihre langjährige Mitarbeit dankten: «Vor fünf Jahren», schrieben die drei Herren, «hast Du, liebe Elfie Casty, die Chefredaktion der marmite übernommen und Dich seither mit viel Herzblut für dieses kleine, aber kostbare Juwel von einer Zeitschrift eingesetzt […] Alle, die Dich kennen, wissen: Wenn Du etwas anpackst dann machst Du es hundertprozentig.» Und genau das hatte Elfie Casty getan und damit marmite qualitativ in eine neue Sphäre gehoben.
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