Jordi Cruz
Hoher Besuch in Fürstenau: Mitte November lud die Spanische Botschaft zu einem Spezialanlass ins Schloss Schauenstein, wo Gastgeber Andreas Caminada gemeinsam mit dem spanischen Spitzenkoch Jordi Cruz kochte. marmite unterhielt sich während des Events mit dem preisgekrönten Küchenchef des ABaC in Barcelona über seine Herkunft, seine TV-Erfahrungen und was er jungen Köchen rät.
Jordi Cruz, Sie sind im Hinterland von Barcelona aufgewachsen. Wie muss man sich diese Region vorstellen?
Ich komme aus Manresa, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Meine Kochausbildung habe ich als 14-Jähriger begonnen. Dabei ist alles in meine Gerichte eingeflossen, was mich umgeben hat: die Berge und Wälder mit ihren Schätzen, die Trüffel, die Tiere aus der freien Wildbahn. Wir nennen das Bergland um Manresa die «kleinen Alpen». Dort ist es, wie der Name schon sagt, ziemlich bergig und schroff. So ist auch meine Küche.
Sind Sie heute zum ersten Mal auf Schloss Schauenstein? Und was sind Ihre ersten Eindrücke?
Ja, ich bin das erste Mal hier und kann leider nur drei Tage bleiben. Es macht mich richtig traurig, dass ich nicht länger bei Andreas bleiben kann. Denn der Ort, ja die Region hier ist sehr inspirierend. Ich war gestern auch kurz in Zürich, dann haben wir eine Käserei besucht mit ausgesuchten Schweizer Käsesorten. Und heute abend werde ich zum ersten Mal das Menü von Andreas probieren, da freue ich mich ganz speziell drauf. Andreas kommt ja schon seit einigen Jahren immer mal wieder zu mir ins ABaC. Jetzt bin ich an der Reihe.
Ich habe gelesen, dass Sie schon mit sieben Jahren genau wussten, dass Sie dereinst Koch werden würden. Sie haben sich diesen Kindheitstraum in erstaunlicher Konsequenz verwirklicht. Haben Sie Ihren Weg je bereut?
Ja, das stimmt, ich wollte schon sehr früh unbedingt Koch werden. Nicht zuletzt deshalb, weil ich alles andere nicht konnte. Ich war ein lausiger Schüler und wäre wohl Räuber geworden oder sonst auf die schiefe Bahn geraten. Ich hatte dann das Glück, dass ich so früh eine Lehre antreten durfte in einem Restaurant, wo man auf mich gesetzt hat. Dafür habe ich mich bedankt und 20 Jahre lang einfach nur gekocht. Und es nie bereut.
Wenn von Ihrer Arbeit und Ihrer Küche die Rede ist, fällt irgendwann der Begriff Perfektion. Gibt es diese überhaupt in einer Küche?
Jede gute Küche braucht Perfektion, und Perfektion ist so etwas wie eine Obsession von mir. Ich gehöre zu jenen Leuten, die nie ganz zufrieden sind, ständig Neues ausprobieren und immer weiter gehen wollen. Der Aufwand ist gleich, ob ich es gut oder schlecht mache. Deshalb mache ich es lieber gleich von Anfang an gut. Ich suche das Reine, das Pure. Das gibt mir Befriedigung. Das treibt mich an, weiterzugehen und niemals stehen zu bleiben. Denn ganz perfekt ist es leider nie.
Ich möchte Ihnen nun ein paar persönliche Fragen stellen. Dabei ist mir die Spontaneität wichtig. Wenn Sie also eine Frage nicht beantworten möchten, kein Problem.
Okay. Schiessen Sie los.
Was ist Kochen für Sie, Kunst oder Handwerk?
Es ist ein Handwerk, das zur Kunst wird.
Gibt es eine Delikatesse, die Sie für komplett überflüssig halten in einer guten Küche?
Ja, Angulas (dt. Glasaale). Das sind sehr teure, kleine Fische, die in unserer Region äusserst beliebt sind. Man kann Angulas nur mit Knoblauch essen, sonst schmecken sie nach gar nichts. Aus diesen Fischen kann man einfach nichts Gescheites machen.
Was ist Ihr Lieblingsgericht?
Ich habe sehr viele Gerichte, die da dazu gehören. Gestern war es zum Beispiel das Fondue in der Käserei, die wir besucht haben. Morgen sehen wir dann. Was ich immer mag, das sind traditionelle Gerichte, Canellones, Eintöpfe. Und ja, mir gefällt die italienische Küche sehr gut. Spaghetti vor allem.
Gibt es ein Gewürz oder einen Geschmack, den Sie nicht mögen und der niemals in Ihrer Küche verwendet würde?
Insekten würde ich niemals essen. Alles andere ist kein Problem. Ach ja, was ich auch nicht so mag, das ist Saures.
Was ist Ihrer Meinung nach das beste Food Pair überhaupt?
Es gibt unendlich viele wunderbare Kombinationen. Wenn ich eine herauspicken müsste, dann wären das wohl schwarze Oliven mit Erdbeeren.
Wo muss Liebe einfliessen, damit eine Küche gut ist?
(lacht) Man braucht nicht nur in der Küche sehr viel Liebe, wenn etwas gut werden soll. Aber es muss ein Gleichgewicht herrschen. Zum Beispiel die Brigade muss viel Liebe erfahren. Aber die bekommt sie von mir nur, wenn sie mir das mit Disziplin zurückzahlt.
Was hat Ihnen Ihr Status als TV-Koch gebracht?
Ich bin vielen Leuten in Spanien wohl erst durch meine Auftritte am Fernsehen bekannt geworden. Und es kommt sicher auch meinem Geschäft zugute. Aber ich habe das nicht so geplant. Als ich das erste Mal vor einer Kamera stand, war ich überhaupt nicht nervös. Und ich bin es seither auch nie gewesen. Wohl deshalb, weil die Kamera für mich wie ein Küchenroboter ist. Ich sehe nur die Kamera – und nie die vier Millionen Menschen dahinter. Deshalb muss ich mich nicht verstellen.
Mir ist aber auch stets bewusst, dass ich kein Medienprofi bin. Ich rede nur deshalb gut, weil ich von meiner Materie eine Ahnung habe. Ausserhalb meines Metiers ist das nicht der Fall, deshalb äussere ich mich medial auch nicht zu politischen oder gesellschaftlichen Fragen. Und ich bin Koch, kein Star. Und will auch nur als Koch gesehen werden. Der Rest interessiert mich überhaupt nicht.
Wenn Sie von einem jungen Menschen gefragt werden, ob er bei Ihnen in die Lehre kommen kann, was sagen Sie ihm dann?
Bist Du sicher, würde ich ihn fragen, dass es Dir in der Küche gefällt? Weisst Du, worauf Du Dich einlässt? Ist Kochen ein Hobby von Dir oder eine ernste Sache? Weisst Du, dass Kochen ein Marathon ist und kein Sprintrennen? Ist es Dein Ziel, Koch zu werden oder ein Star? Wenn er gute Antworten gibt, dann hat er gute Chancen, bei mir einzusteigen. Aber danach braucht es Geduld. Viel Geduld.
Und was würden Sie jungen Köchen empfehlen, wenn es um den Umgang und die Präsenz mit Medien geht?
Ein warmes Herz dürfen sie schon haben, wie man bei uns sagt. Und ihre Kreativität zum Ausdruck bringen. Aber bitte immer schön am Boden bleiben.
Können Sie sich vorstellen, anderswo als in Spanien (Barcelona) zu leben und zu kochen?
Nein, denn man ist an seinem Ursprungsort am besten. Ich finde es gut, wenn man hinaus geht, um neue Dinge zu erfahren und zu lernen. Aber jeder hat seinen Platz. Wenn ich woanders hinginge, müsste ich nochmals ganz von vorn anfangen. Weil der Kontext ein ganz anderer wäre. Ich könnte natürlich schon nach Italien gehen. Es ist ein wunderschönes Land mit einer super Küche. Aber Italien ist nicht meine Heimat und die italienische Küche nicht meine. Ich würde dort als Koch meine Einzigartigkeit verlieren.
Interview: Philipp Bitzer
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