«Es gibt keinen Grund, ein Schwein nicht auf der Wiese zu halten»
Fabio Müller hält Freilandschweine, der Koch René Gloser von der Rüsterei in Zürich arbeitet am liebsten mit diesen. Beide sind sich einig: Schweine, die draussen leben und sich bewegen, geben das bessere Fleisch.
Fabio Müller, René Gloser, was denken Sie, wenn Sie im Discounter vor einem konventionell produzierten Kotelett aus Schweinefleisch stehen?
RG: Ich gehe nur noch selten zum Discounter. Doch wenn ich da beim Fleisch stehe, blicke ich auf den Preis und kann nur noch den Kopf schütteln. Alles viel zu billig!
FM: Auch ich gehe kaum mehr zum Grossverteiler. Aber wenn, dann schaue ich natürlich auf das Fleischregal, um Preise zu vergleichen. Und da ist es tatsächlich so, wie René sagt: Schweinefleisch wird unglaublich billig angeboten. Kürzlich habe ich bei einem der zwei Grossen eine Schweinsschulter gesehen, die den gleichen Kilopreis hatte wie Wirz. Das ist einfach nur noch absurd – das eine ist ein profanes Lagergemüse, das andere war einmal ein Tier!
Warum kaufen Sie Ihr Fleisch denn nicht mehr beim Discounter?
RG: Ich kaufe mein Fleisch fast nur noch über die Rüsterei, dort bin ich an der Quelle und weiss, dass ich immer qualitativ gutes Schweinefleisch bekomme, das auch wirklich schmeckt.
FM: Das Stichwort hier ist Qualität: Wenn man Fleisch in dem Tempo, in der Menge und zu dem Preis produziert, wie das aktuell gemacht wird, muss man qualitative Mängel in Kauf nehmen.
René Gloser, Sie sind Koch und auch Fleischsommelier. Wie schmeckt gutes Schweinefleisch und welche Qualitäten hat es?
RG: Gutes Fleisch hat sichtbar intrasowie intermuskuläres Fett. Dieses Fett sollte weiss und fest sein. Die Farbe des Fleisches kann von sattem Rosa gerne auch ins Rötliche gehen. Denn das ist ein Zeichen dafür, dass das Tier seine Muskeln brauchen konnte und diese nicht nur durch Futter aufgepumpt wurden. Ein weiteres Zeichen für qualitativ gutes Fleisch: Es verliert in der Packung keinen Saft, spritzt und schrumpft nicht, wenn man es brät, und ist somit auf dem Teller saftig und zart. Für mich als Gastronom ebenfalls sehr wichtig: Gutes Schweinefleisch ist lange haltbar. Dadurch kann man es dry agen sowie im akuum lagern, ohne dass es sauer zu riechen beginnt. Auch das ist ein Hinweis auf ein Tier, das nicht nur im Stall stand.
Fabio Müller, Sie halten Schweine, besitzen aber keine Ställe. Erklären Sie kurz, was Sie machen und warum.
FM: Meine Schweine leben das ganze Jahr über unter freiem Himmel. Das Fleisch der Tiere verkaufe ich direkt an Private und die Gastronomie. Das mache ich wahrscheinlich so, weil ich keine landwirtschaftliche Ausbildung habe, von aussen auf die Schweinezucht und -mast blicke und mich frage: Warum hat ein ausgemästetes Schwein in der Schweiz weniger als einen Quadratmeter Platz im Stall – und warum kann es nicht einfach auf einer Wiese leben?
Und zu welchem Schluss sind Sie gekommen?
FM: Ich bin überzeugt, dass es keinen praktischen Grund gibt, warum ein Mastschwein nicht draussen auf einer Wiese leben sollte.
Warum machen es denn nicht alle so?
FM: Die Schweizer Landwirtschaft ist eine Branche, in der man sich wenig exponieren will. Etwas anders zu machen als der Mainstream, braucht Mut und nicht selten stellt man sich damit auch gegen die eigene Familie. Zudem sind viele, die konventionell mit Schweinen arbeiten, durch Investitionen in ihre Ställe finanziell gebunden. Auch braucht es Platz, Schweine im Freien zu halten. Und wer nicht im grossen Stil Freiland macht, muss sein Fleisch selbst vermarkten. Das ist ein grosser Aufwand und wegen der Vorurteile gegen Schweinefleisch nicht einfach.
Was Sie, Fabio Müller, machen, ist nicht Standard – wie funktioniert sie also, die konventionelle Schweinefleisch-Produktion in der Schweiz?
FM: In der Schweiz gibt es einen mächtigen Branchenverband, der kontrolliert den Markt. Dieser
funktionierte in Zyklen, ist modular und streng getaktet. Das heisst, es gibt Zuchtbetriebe für Elterntiere
und Ferkel. Dann gibt es Aufzuchtbetriebe, welche die entwöhnten Ferkel aufziehen, bis sie rund 25 Kilogramm schwer und zehn Wochen alt sind. Und dann gibt es die Mastbetriebe, wo die Schweine über drei weitere Monate auf ein Idealgewicht von rund 110 Kilogramm gemästet werden. Am Ende dieser Zyklen stehen die beiden Schweizer Grossverteiler mit ihren Grossmetzgereien. Dort landet der Grossteil der Schweizer Mastschweine.
«Im Schweinebusiness etwas anderes zu machen, braucht Mut.»
-Fabio Müller
Wer bei Mein Schwein Fleisch bezieht, beteiligt sich zu einem Viertel oder einer Hälfte an einem Schwein. Das heisst: Man bestellt im Voraus und erhält ein paar Monate später den bestellten Anteil portioniert und vakuumverpackt in einem Mischpaket. Ein Viertel eines Schweins entspricht etwa 17 Kilogramm Fleisch. Davon wird ein Teil veredelt und als Rohschinken und Rohessspeck nachgeliefert.
Lesen Sie den Rest des Interviews im aktuellen Magazin und erfahren Sie mehr überi die Welt der artgerechten Schweinezucht.
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