Wie die Pasta die Welt eroberte

10. Oktober 2024

Wer hat die Teigwaren erfunden? Wo gab man für Hartweizenpasta eine Garzeit von 45 Minuten an? Und seit wann isst man Spaghetti eigentlich mit Tomatensauce? Zeit für ein wenig Geschichtsunterricht!

Am 1. April 1957 gelang der BBC einer der wohl berühmtesten Aprilscherze der Fernsehgeschichte: In einem zweieinhalbminütigen Beitrag berichtete der angesehene Moderator Richard Dimbleby von einer ungewöhnlichen Spaghetti-Ernte im Tessin. Der Fernsehbericht erklärte den Zuschauern, dass aufgrund des milden Wetters und des Verschwindens des berüchtigten Spaghetti-Rüsselkäfers die Spaghetti-Ernte in diesem Jahr besonders ertragreich sei. Im Beitrag war zu sehen, wie Frauen auf den Plantagen des Schweizer Südens Spaghetti von Bäumen pflückten und diese auf grossen Tüchern zum Trocknen auslegten.

Hier entstehen chinesiche Dim Sum, die auch hierzulande
gross in Mode sind – als Folge des Momo-Booms.

Was heute als Scherz sofort durchschaut würde, traf damals bei einem Teil der britischen Bevölkerung auf echte Verwirrung. Obwohl viele Zuschauer die ironische Geschichte durchschauten, riefen mehrere Hundert Menschen bei der BBC an – einige, um sich zu erkundigen, ob Spaghetti wirklich an Bäumen wachsen, andere baten sogar um Ratschläge für den Spaghetti-Anbau im eigenen Garten. Dieser humorvolle Vorfall zeigt eindrücklich, wie exotisch Spaghetti und italienische Küche im Vereinigten Königreich der 1950er-Jahre noch waren. Pasta war dort bis zu diesem Zeitpunkt meist nur in Form von Dosenspaghetti bekannt und weit davon entfernt, ein alltägliches Gericht zu sein.

In der Schweiz jedoch war Pasta schon viel früher ein fester Bestandteil der Küche. Die Verbreitung von Teigwaren wurde insbesondere durch den Bau des Gotthardtunnels zwischen 1872 und 1880 vorangetrieben, der zahlreiche italienische Gastarbeiter ins Land brachte. Entgegen der weit verbreiteten Annahme war die Pasta jedoch bereits lange vor dem Bau des Tunnels in der Schweiz präsent. So belegt ein Dokument des Klosters Disentis aus dem Jahr 1731, dass Teigwaren bereits im 18. Jahrhundert in Schweizer Küchen eine Rolle spielten. Es beschreibt den Kauf einer „Gewindepresse zur Herstellung von Maccaroni“, die aus Italien ins Bündnerland gebracht wurde.

In der Altstadt von Bari kann man noch heute älteren Damen bei der
Herstellung von Pasta zusehen. Besonders beliebt: Orecchiette.

Auch in anderen Teilen der Welt verbreitete sich die Pasta erst nach und nach. In Italien, dem Ursprungsland der europäischen Teigwarenkultur, waren Teigwaren im 20. Jahrhundert zwar bereits in weiten Teilen des Landes ein Grundnahrungsmittel, doch in ärmeren Regionen dominierte Polenta noch bis in die 1930er Jahre den Speiseplan. Die heute als selbstverständlich angesehene Verbindung von Pasta und Tomatensauce entstand erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Zuvor wurde Pasta überwiegend mit Käse gegessen.

Heute gilt Italien als die Heimat der Pasta, mit rund 350 verschiedenen Sorten. Dennoch ist dies im Vergleich zur chinesischen Küche, die über 1200 verschiedene Nudelvarianten kennt, eine eher bescheidene Zahl. China gilt nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen als die Wiege der Teigwarenkultur, und archäologische Funde belegen, dass dort bereits vor 4000 Jahren Nudeln hergestellt wurden.

Auf diesem Bild aus dem späten 19. Jahrhundert trocknet Pasta in Napoli an der Sonne. Heute gibt es dafür spezielle Maschinen. Es gilt der Grundsatz: je langsamer der Vorgang, desto besser die Qualität.

Dieser humorvolle Blick auf die Geschichte der Pasta verdeutlicht, wie stark sich die kulinarischen Gewohnheiten und Traditionen im Laufe der Jahrhunderte verändert haben – und wie ein Aprilscherz zur damaligen Zeit die Vorstellungskraft der Menschen beflügelte.

Wollen Sie mehr über die Geschichte und die faszinierende Welt der Pasta erfahren? In unserer aktuellen Ausgabe können Sie mehr darüber lesen.

Könnte dir auch gefallen

Im grünen Herz von Fürstenau

Okt. 2024

Wie das Oz-Restaurant die Natur auf den Teller bringt und dabei auch «Unkraut» darauf landen darf

Wie das Oz-Restaurant die Natur auf den Teller bringt und dabei auch «Unkraut» darauf landen darf

Granatapfel und Feigenbäume

Okt. 2024

Von Hugenotten-Gärten bis zur Barockpracht – Auf zu einer Zeitreise in die bunte Geschichte des Gemüseanbaus in der...

Von Hugenotten-Gärten bis zur Barockpracht – Auf zu einer Zeitreise in die bunte Geschichte des Gemüseanbaus in der Schweiz!

Kühlschrank: Richi Kägi

Sep. 2024

Richi Kägis Haus verlässt man nie hungrig oder durstig. Dafür sorgen die Grosszügigkeit des Gastgebers, sein eindrücklich bestückter...

Richi Kägis Haus verlässt man nie hungrig oder durstig. Dafür sorgen die Grosszügigkeit des Gastgebers, sein eindrücklich bestückter Weinkeller und der stets vollgepackte Kühlschrank.